Hochwasser in Verden
B 215 mit Sandsäcken gesichert
Einsatzkräfte schützen in Hönisch die Bundesstraße vor hochsteigendem Grundwasser
Verden. Die Einsatzkräfte in Verden gehen aktuell davon aus, dass die Pegel der erwarteten zweiten Hochwasserwelle am Wochenende nicht mehr die Höhe der ersten Welle erreichen werden. Nachdem der Wasserstand am Donnerstag stagnierte, ist er an diesem Freitag wieder etwas angestiegen. In Hönisch haben Einsatzkräfte am Freitagnachmittag ein Stück der Bundesstraße 215 gegenüber dem Hotel Maske mit großen und kleinen Sandsäcken sowie einer Folie gegen aufsteigendes Grundwasser gesichert. „Hochwasser drückt in diesem Bereich immer das Grundwasser hoch“, erklärt Tobias Schone, stellvertretender Sprecher der Kreisfeuerwehr Verden. Ziel sei, die Bundesstraße gegen Überflutung zu schützen. Die Sicherung sei aber zurzeit nur zur Vorbeugung.
Wie Kreisbrandmeister Dennis Körte berichtet, wurden in den vergangenen Tagen vermehrt Schäden an Deichen durch Kraftfahrzeuge gemeldet, aber auch Spaziergänger, die achtlos auf die Deichanlagen treten, und auch Hunde, die im Deich wühlen. Deshalb erneuert Korte den dringenden Hinweis an Bürgerinnen und Bürger, das Betretungsverbot von Deich- und Wehranlagen einzuhalten. Um die Deiche zu schützen, sei die Mithilfe der Bevölkerung unumgänglich. „Ebenso sind Deichverteidigungswege freizuhalten, diese sind weder Parkplätze noch Rennstrecken“, so der Kreisbrandmeister. Zudem weist er eindringlich darauf hin, dass Einsätze von Feuerwehr, THW und anderen Hilfsorganisationen durch Hochwassertourismus nicht behindert werden dürfen.
Platzverweise ausgesprochen
Wie die Polizei Verden-Osterholz meldet, sei zurzeit eine der Hauptaufgabe der Beamtinnen und Beamten, den Hochwassertourismus einzudämmen. Die weiteren Aufgaben sind der Schutz der evakuierten Bereiche und der aufgebauten Sicherungsanlagen gegen mögliche Deichbrüche. Hochwassertouristen hätten in beiden Landkreisen die Arbeit von Feuerwehr, THW und Rettungsdiensten teilweise behindert, indem sie in der Nähe der Einsatzbereiche parkten oder sich in unmittelbarer Nähe aufhielten. „Die aufgestellten Absperrungen und Absperrbänder hinderten viele Menschen nicht daran, trotzdem die Deichanlagen und gesperrte Bereiche zu betreten“, so die Polizei. Deshalb haben die Ordnungskräfte bislang mehr als 100 Platzverweise und Aufforderungen zum Verlassen der Bereiche ausgesprochen. Hinzu kamen noch knapp 20 Parkverstöße.
Die Polizei weist darauf hin, dass Verstöße gegen das Betretungsverbot von Deichanlagen empfindliche Geldstrafen nach sich ziehen. Das Niedersächsische Deichgesetz sieht dafür ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro vor. Die genaue Höhe wird von den Landkreisen bestimmt. Die Landkreise Verden und Osterholz einigten sich auf ein einheitliches Bußgeld für die Verstöße gegen das Deichbetretungsverbot. Für das Betreten der Deichanlagen setzten sie ein Bußgeld in Höhe von 400 Euro fest. Im Wiederholungsfall oder vorsätzlichem Verhalten kann das Bußgeld verdoppelt werden.
Alle Haushalte wieder versorgt
Unterdessen läuft im Verdener Fischerviertel die Aufnahme und Beseitigung der Hochwasserfolgen weiter. Während der Hochphase der Überschwemmung standen die Stadtwerke Verden kurz davor, in der gesamten Fischerstraße den Strom abzustellen, wie der Technische Leiter, Michael Knezevic, erzählt. „Wir konnten das aber schließlich auf zwei Häuser beschränken, wo wir die Stromversorgung aus Sicherheitsgründen unterbrechen mussten.“ Mittlerweile seien aber alle Haushalte wieder versorgt.
„Wir werden in solchen Katastrophenfällen von der Leitstelle alarmiert, weil wir ja sowieso Rufbereitschaft haben“, sagt Knezevic. Die Entscheidung vor Ort, ob der Strom abgestellt werde, hänge zum einen davon ab, ob eine Gefahr für die Kabelverteilerschränke in den Straßen bestehe. Zum anderen, ob das Wasser die Sicherungskästen in den Häusern erreichen könne. „Unser Monteur hat das gut lösen können“, zeigt sich Knezevic im Nachhinein erleichtert. Abgesehen vom Fischerviertel gab es nach seinen Angaben nur in einem Haus in Hönisch einen kurzen Stromausfall über ein paar Stunden. „Da hat ein Kabelfehler in Verbindung mit Wasser zu dem Ausfall geführt“, so der Technische Leiter.
Unter dem Eindruck des Hochwassers in Niedersachsen fordert Marco Trips, Präsident des niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds, Lehren aus der Situation zu ziehen, um künftig besser gewappnet zu sein. Er fordert etwa Fluthilfefonds, mehr finanzielle Mittel für den Hochwasserschutz im Binnenland, die Förderung von mobilen Hochwasserschutzsystemen sowie den Ausbau natürlicher Überflutungsflächen. „Für die Finanzierung all dessen werden wir wohl über die Mechanismen der Schuldenbremse reden müssen. Ohne das wird es nicht funktionieren. In jedem Falle wird es nicht ausreichen, die finanziellen Hilfen für Hochwasser-Geschädigte nur auf Privatpersonen zu beschränken, sondern es muss auch die beschädigte kommunale Infrastruktur in den Blick genommen werden,“ so Trips in seiner Stellungnahme.
Mit Blick auf den Zustand der Deiche kritisiert der hiesige Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU), dass die Länder einen erheblichen Teil der vom Bund zur Verfügung gestellten Fördergelder für den Hochwasserschutz nicht abgerufen hätten. „Ausgerechnet im Haushaltstitel für Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes, die vom Bund im Jahr 2023 mit 100 Millionen Euro gefördert werden sollten, gibt es einen mehr als doppelt so hohen Haushaltsrest in Höhe von 236 Millionen Euro“, beklagt der Haushaltspolitiker. „Das ist also fast eine Viertelmilliarde an Bundesmitteln, die in den Vorjahren nicht in den Hochwasserschutz fließen konnten.“ Insgesamt gehe es noch um deutlich höhere Investitionsvolumen, denn zu diesen Millionen kämen noch die Gelder aus der gesetzlich geforderten Kofinanzierung der Länder hinzu. „Es sind auch diese nicht getätigten Investitionen vergangener Jahre, die uns angesichts steigender Pegelstände beim Hochwasserschutz gerade im ländlichen Raum auf die Füße fallen.“
Verdener Nachrichten/Achimer Kurier vom 06.01.2024