Seltsame Ruhe auf den Straßen

Landkreis –  „Sehen Sie, sie sehen nichts.“ An den scheinbar widersinnigen Satz von Loriot konnten Beobachter des Verkehrs sich am Montagvormittag an manchen Orten erinnert fühlen. Die Blockaden der Landwirte sorgten dafür, dass der Straßenverkehr fast komplett zum Erliegen kam. Eine seltsam entspannte Ereignislosigkeit verbreitete eine ungewohnte Ruhe auf den sonst so hektisch befahrenen Straßen. Nur dann und wann tauchten Trecker-Kolonnen auf und erinnerten an die Proteste der Landwirte gegen die Ampel-Beschlüsse zu den Agrardiesel-Subventionen.

Wie angekündigt beobachteten die Ordnungshüter das Geschehen genau. Im Bereich der Polizeidirektion Oldenburg registrierten sie zahlreiche Protestaktionen, zum Beispiel in Form von Straßenblockaden. Hierdurch sei es bereits am frühen Morgen zu teilweise erheblichen Verkehrsbehinderungen gekommen, die auch den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) betrafen, hieß es im Pressebericht.

Neben stationären Aktionen hatten die Organisatoren unter anderem in Oldenburg, Cloppenburg und Bremen Kundgebungen geplant, sodass sich Leute auf den Straßen der Region auf eine erhöhte Anzahl von Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Fahrzeugen auf Bundes- und Landstraßen, Bundesautobahnen einstellen konnten und mussten.

Schon um 7 Uhr stand für die Polizeiinspektion Oldenburg fest, dass die Lage an mehreren Schwerpunkten schwierig ist. Sie zählten 101 Versammlungen in Form von Blockaden und 67 Konvois. Im gesamten Zuständigkeitsbereich der Direktion leiteten Beamte 35 Strafverfahren ein, eines davon wegen eines versuchten Tötungsdelikts. meist ging es aber um gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Aber auch ein Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und Verfahren wegen Bedrohung und Beleidigung waren dabei.

Vergleichsweise ruhig war das Geschehen im Bereich der Polizeiinspektion Verden/Osterholz. An der Autobahn 27 waren die Auffahrten Achim Nord und Achim Ost blockiert und zeitweise auch die beiden Verdener Auffahrten. Die Ordnungshüter zählten elf Blockaden, an denen Personen mit 220 Fahrzeugen teilnahmen.

Am Verdener Landgericht hätten die Proteste fast einen Mordprozess platzen lassen, weil befürchtet werden musste, dass der Angeklagte nicht rechtzeitig aus Bremervörde dem Richter vorgeführt werden könnte. Nicht ganz dem Protrokoll entsprechend hatten sich aber Beamte mit einem Kleinbus auf den Weg gemacht und so saß der Beschuldigte pünktlich auf derAnklagebank.

Früh am Morgen um sechs Uhr schon hatten sich rund um das Gelände eines Landmaschinenhändlers in Verden-Dauelsen Landwirte mit ihren Treckern versammelt. Nach kurzer Unterweisung durch die Polizei brachen die Landwirte zu ihrem Protestzug durch die Kreisstadt auf und legten bis ungefähr 13 Uhr den Verkehr an wichtigen Kreuzungen und den beiden Verdener Autobahnauffahrten lahm.

Zunächst verlangsamten die Demonstranten den Verkehr und die Schlepper blieben in den Kreisverkehren einfach stehen, wodurch es zum Stillstand kam und keiner mehr auf die Autobahn fahren konnte oder sie verlassen konnte. Ausnahme war der Kreisverkehr am Nordertor, weil Einsatzfahrzeuge die Zufahrt zu Hochwassergebieten ermöglicht werden sollte. Für andere Einsatzfahrzeuge, wie Rettungswagen, machten die Landwirte Platz.

Auch machten sie eine Ausnahme, um die Pflegekräfte durchzulassen. „Eine Rettungsgasse konnten wir für Einsatzfahrzeuge und Pflegedienste freihalten. Das wurde von der Polizei bestätigt“, sagte Organisator Henning Müller aus Kirchlinteln-Deelsen. Er habe von vielen wartenden Autofahrern großen Zuspruch erfahren. „Alles lief sehr diszipliniert ab und es gab keine Zwischenfälle“, resümierte Müller. Nachmittags normalisierte sich der Verkehr in der Kreisstadt zusehends, weil die Schlepperfahrer den Heimweg antraten und nur wenige zur großen Kundgebung nach Bremen unterwegs waren.

Die Verkehrsteilnehmer reagierten unterschiedlich auf die Blockadepolitik. Die Reaktionen deckten so ziemlich alles ab, was zwischen genervt ungeduldig, wenn es nicht weiterging, und verständnisvoller Solidarität liegt. Verständnis zeigte etwa der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU) für den Unmut der Landwirte und der Handwerker und Spediteure, die sich den Protesten angeschlossen hatten. Mattfeldt diskutierte vor Ort mit den Demonstranten und Betroffenen.

Kommentare von Betroffenen und Unterstützern zeigten viel Verständnis für die Proteste wie auch Sven Orzyschek von einem Achimer Lohnunternehmen, der als Sprecher der Landwirte für den Bereich Achim/Oyten fungierte: „Von Cuxhaven bis nach Walsrode und von Sittensen bis nach Arsten sind heute rund 5000 Landwirte im Einsatz. Die meisten Reaktionen der Verkehrsteilnehmer sind sehr positiv. Vereinzelt werden wir auch beleidigt von Gegnern, die kein Verständnis für die Lage der Landwirte haben. Die Landwirte haben immer alles mitgemacht und sich auf alles eingestellt – aber jetzt ist Schluss. Heute haben ein erstes Zeichen gesetzt“, so Orzyschek.  db, lee und kle