Ärzte kritisieren Gesundheitsreform – Auch aus der Verdener Politik gibt es Stimmen gegen das neue Gesetz

4. November 2024
Pressespiegel

Aller-Weser-Klinik Verden

Kritisiert wird insbesondere, dass das Gesetz ohne Vorlage einer Auswirkungsanalyse und ohne die Sicherstellung einer Überbrückungsfinanzierung beschlossen wurde. Damit drohe Gefahr für die Versorgungssicherheit, insbesondere im ländlichen Raum. Viele Kliniken können bereits jetzt nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden und liefen Gefahr, insolvent zu gehen, bevor die Gesundheitsreform greife, erklärt der CGB.

Greifen wird sie in Niedersachsen ab 2027 – bis dahin drohten weitere Klinikschließungen, warnt auch der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt. „Ein von meiner Bundestagsfraktion gefordertes Vorschaltgesetz, um diesen kritischen Zeitraum zu überbrücken, wurde von den Ampelfraktionen abgelehnt.“

Ein „paar Hundert“ Kliniken müssten schließen, hieß es von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Er sicherte Krankenhäusern auf dem Land aber eine Existenzgrundlage zu. Diese zwei Aussagen stehen auf den ersten Blick im Widerspruch zueinander. Können Bund oder Länder kontrollieren, welche Kliniken schließen? „Nein“, erklärt Mattfeldt, „ohne Auswirkungsanalyse handelt es sich um einen gefährlichen Blindflug“. Ralf Weßel, Chefarzt der Kardiologie an der Aller-Weser-Klinik (AWK) in Verden, mutmaßt sogar, dass die Schließungen im Tausenderbereich landen könnten: „Kann sein. Niemand weiß es. Es gibt ja keine Auswirkungsanalyse.“

Ländlich gelegene Kliniken, wie beispielsweise die Aller-Weser-Kliniken in Verden und Achim, seien von Lauterbach nicht in Entscheidungsprozesse mit eingeflossen, kritisiert Mattfeldt: „Er hat nur mit Großstadtkliniken gesprochen.“ Eine „massive Insolvenzwelle und Medizin zweiter Klasse auf dem Land“ prognostiziert der Christdemokrat aus Langwedel. Der Ärztliche Direktor der Verdener AWK, Peter Ahrens, spricht vom „Tod der kleinen Häuser“.

Die 16 Bundesländer haben sich einstimmig gegen das KHVVG ausgesprochen und prinzipiell sei die Krankenhausplanung Ländersache, erklärt Mattfeldt. Der Bund hingegen sei allerdings zuständig für die Abrechnung der Hospitäler mit den Krankenkassen und so verschwimmen die Zuständigkeitsbereiche. „Der Gesundheitsminister setzt sich dort über die Länder hinweg. Und mit der Brechstange kann es nur in die Hose gehen.“ Auch Ahrens kritisiert Lauterbach dafür, die Länder ignoriert zu haben: „Er meint, dass er es besser kann.“

Die Notwendigkeit einer Krankenhausreform ist laut CGB weitgehend unumstritten. Mattfeldt geht sogar einen Schritt weiter und sagt, dass das Gesundheitssystem „resettet“ werden müsse. „Es muss allerdings Sonderpunkte für die ländliche Region geben“, fügt er hinzu. Mit dem KHVVG wird eine verbesserte Finanzierung und stärkere Spezialisierung der Krankenhäuser in Deutschland angestrebt. Zukünftig sollen die Einrichtungen 60 Prozent ihrer Vergütungen als Vorhaltepauschalen für die Bereithaltung medizinischer Leistungen erhalten. Weßel sieht diese Vorhaltepauschale allerdings als Trojanisches Pferd. Durch sie könne Lauterbach bestimmen, welches Krankenhaus welche Leistungen erbringe. Der Kardiologe sieht eine Staats- beziehungsweise Vorgabemedizin auf Deutschland zukommen.

Das KHVVG ist übrigens 354 Seiten lang. Beschlossen worden sei es über Nacht. Ob diejenigen, die abgestimmt haben, diese Seiten in der kurzen Zeit andächtig gelesen haben, zweifeln Ahrens und Weßel an. Der Aussage Lauterbachs, dass jedes dritte Bett leer stehe, widersprechen die beiden Ärzte. „Hier nicht“, sagt Ahrens mit einem Schmunzeln. Er könne zwar nicht für Krankenhäuser bundesweit sprechen, doch leere Betten existierten nicht aufgrund mangelnder Patienten. Vielmehr ginge es darum, wie viele kranke Menschen eine Pflegekraft versorgen könne.

Das Schließen so vieler Kliniken muss irgendwie kompensiert werden. Sowohl für Mattfeldt als auch für Weßel und Ahrens ist klar, wie: „Durch lange Wege für die Patienten.“ Der Christdemokrat sieht auch eine Wartelistenmedizin auf ländliche Regionen zukommen und wundert sich: „Ist es immer möglich, zwischen einer notwendigen und einer aufschiebbaren Operation zu differenzieren?“

Das KHVVG ist nach Weßels und Ahrens Einschätzung ein „Sparen auf Kosten der Patientenversorgung“. Es handele sich um Gesundheitsökonomie, die bestimme, was passiert. Nicht der Wunsch oder die Bedürfnisse der Bevölkerung spielten eine Rolle, auch nicht die Medizin. Sie hoffen, dass die Menschen gegen diese Reform auf die Straße gehen und demonstrieren werden.

VN 02.11.2024