Bohrloch-Tüv überzeugt BI nicht Erdgasförderung, Mattfeldt zu Gast in Kirchlinteln

16. Juni 2023
Pressespiegel

Die Antworten des Landesbergamtes werfen bei den Gegnern der Gasförderung weitere Fragen auf
Kirchlinteln. Gleich zwei Fragenkataloge zur geplanten neuen Bohrung im Erdgasfördergebiet Weißenmoor in Odeweg haben das Landesbergamt in den vergangenen Wochen erreicht. Die Bürgerinitiative (BI) Lintler Geest gegen Gasbohren war vorgeprescht, die Gemeindeverwaltung hatte kurze Zeit später nachgezogen, nachdem sich im zuständigen Fachausschuss keine Einigkeit bezüglich einer Resolution gegen die neue Bohrung abgezeichnet hatte. Die Fragen der BI wurden nun vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) beantwortet. Die Gegner der Gasbohrung sowie die in Kirchlinteln regierende Ampel aus SPD, Grünen und Freien, die die Resolution  eingebracht hatte, hoffen nun, dass es ihnen doch noch gelingt, die oppositionelle CDU auf ihre Seite zu ziehen. Welches Signal gehe schließlich von einer Resolution aus, die nicht von allen politischen Parteien mitgetragen werde?

Seit 1998 wird in Odeweg Erdgas gefördert. Um die Gewinnung der vorhandenen Reserven zu optimieren, plant der Energieversorger Wintershall Dea dort nun eine weitere, die insgesamtdritte Bohrung. Sie soll quasi an die erste Bohrung (Weißenmoor Z 1) andocken und die bereits vorhandene Infrastruktur nutzen. Die BI hatte in ihrem Schreiben an das Landesamt gefragt, ob die in die Jahre gekommenen Rohre den hohen Drücken denn noch standhalten würden. Laut der Hannoveraner Genehmigungsbehörde werden die Rohrleitungen regelmäßig von Sachverständigen geprüft, bewertet und die Ergebnisse dokumentiert.

Sorge um das Trinkwasser

Ob bei der geplanten neuen Bohrung tatsächlich hochgiftiges Lagerstättenwasser – wie von den Mitgliedern der BI befürchtet – anfalle, werde sich erst nach dem Bohren und der Aufnahme der Förderung aus der Weißenmoor Z 3 zeigen, teilt das LBEG mit. Grundsätzlich werde anfallendes Lagerstättenwasser von Spezialunternehmen entsorgt und die Tanklastzüge nach Verlassen des Bergbaugeländes von der Gewerbeaufsicht beaufsichtigt. Damit, dass die Zuständigkeit des Landesbergamtes aufhört, sobald die Transporte das Gelände verlassen

haben, will sich die BI nicht zufrieden geben. „Unserer Meinung nach darf kein Bohrvorhaben genehmigt werden, wenn die umweltgerechte Entsorgung der Schadstoffe nicht gewährleistet ist“, monieren die Aktiven aus der Gemeinde Kirchlinteln. Auch der Aussage aus Hannover, dass die Beweislast für Schäden durch die geplante Bohrung weiterhin allein beim Hauseigentümer liege, können die Gegner der Gasförderung nichts abgewinnen. Im Gegenteil, sie mache für sie die Novellierung des Bundesberggesetzes noch umso dringlicher.

Weil sich das Trinkwasserschutzgebiet Rotenburg-Süd lediglich 450 Meter entfernt von der geplanten Bohrung befindet, wollten die Gegner der Gasbohrung wissen, ob das Landesbergamt denn bereit sei, ein Gutachten über die Gefährdung des für die Wassergewinnung relevanten Gebietes in Auftrag zu geben und im Umkreis Grundwassermessstellen errichten wolle? Dem Landesbergamt zufolge ist die neue Bohrung über ihre gesamte Länge technisch mit Stahlrohren und Zement gegen Kontakt mit dem Gebirge abgedichtet. Gemäß neuer Verordnung müssten die Drücke in den Ringräumen zwischen diesen Stahlrohren und im Förderstrang kontinuierlich gemessen und dokumentiert werden. „So werden Situationen erkannt, die vom Sollzustand abweichen, um Flüssigkeitsaustritte von vorneherein auszuschließen. Weiterhin sind Tiefbohrungen durch unabhängige Sachverständige alle zwei Jahre auf Dichtheit und alle sechs Jahre auf Integrität zu prüfen“, erläutert Eike Bruns, Sprecher des Landesamtes, den „Bohrloch-Tüv“.

Aufgrund dieser präventiven Maßnahmen und weil der Zustand einer Bohrung messtechnisch und gutachterlich überprüft werde, seien ein weiteres Gutachten oder Grundwassermessstellen nicht vorgesehen.

Erst Jahre nach Beginn der Erdgasförderung im Feld Völkersen kam es dort zum ersten Mal zu Erdstößen, vom Versorger gern als „seismische Ereignisse“ bezeichnet. Die BI wollte deshalb wissen, ob die Wahrscheinlichkeit dafür im Gasfeld Weißenmoor denn wirklich so gering sei, wie das Förderunternehmen immer wieder betone. Laut Landesbergamt sind seit Beginn der Produktion im Gasfeld Weißenmoor vor 25 Jahren keinerlei induzierte seismische Ereignissen registriert worden. Zudem ließen sich die Ausdehnung der Lagerstätten und die geologischen Verhältnisse nicht mit dem Feld Völkersen vergleichen. Dass induzierte Erdbeben in der Gemeinde Kirchlinteln auftreten könnten, kann das LBEG allerdings nicht ausschließen. „Diese Einschätzung beruht auf unserer generellen Bewertung des Zusammenhangs zwischen Erdgasförderung und schwachen Erdbeben in Niedersachsen“, erklärt Bruns.

Die Gegner der Gasförderung haben in ihrem Schreiben noch einmal auf das Risiko der Luftverschmutzung durch Stoffe wie Benzol, Quecksilber und Arsen hingewiesen. Die Aufsichtsbehörde in Hannover beruft sich auf die bereits unterzogene Umweltverträglichkeitsvorprüfung. Sie habe ergeben, dass keine erhebliche negativen Auswirkungen durch das Vorhaben zu erwarten seien. „Das können wir dem Prüfvermerk über

die Umweltverträglichkeitsvorprüfung nicht entnehmen. Im Gegenteil: Es wird zynisch festgestellt, dass die EU-Umweltstandards in Weißenmoor schon jetzt nicht eingehalten werden“, argumentiert die BI. Eine weitere Überschreitung mache die Belastung für die Umwelt nicht gerade geringer.

Austausch mit LBEG-Vertreter

Zur nächsten Sitzung des Ausschusses für Klima, Umwelt und Naturschutz am Mittwoch, 28. Juni, um 18.30 Uhr im Lintler Krug will die Verwaltung einen Vertreter des Landesbergamtes einladen. Tags darauf, für den 29. Juni, lädt die Bürgerinitiative Lintler Geest gegen Gasbohren dann den heimischen Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Über-Flüssiges Gas“ in Heitmanns Gasthof nach Kreepen ein (17 Uhr). Der in Völkersen lebende Christdemokrat spricht sich bereits seit Jahren für ein Ende der Gasförderung im Landkreis Verden aus. Die Mitglieder der BI hoffen, dass nun auch die örtliche CDU Mattfeldts Devise „Heimat schützen statt Erdgas fördern“ folgt. Final beschlossen werden soll die Resolution übrigens vor der politischen Sommerpause am 5. Juli. Die Informationen der Genehmigungsbehörde sollen dabei als Grundlage dienen.

VN 16.06.2023