Debatte über Agrarpolitik
Grasberg. Die Plätze reichten kaum aus. Noch bis kurz vor Beginn der Podiumsdiskussion mit den Direktkandidaten für den Bundestagswahlkreis Osterholz-Verden, Andreas Mattfeldt (CDU), Özge Kadah (SPD), Lena Gumnior (Bündnis 90/Die Grünen), Gero Hocker (FDP), Herbert Behrens (Die Linke) und Maik Smidt (Bündnis Sahra Wagenknecht), im Grasberger Hof, mussten zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden. Der Einladung der Landvolkverbände Osterholz und Verden-Rotenburg sowie des Vereins „Land schafft Verbindung“ (LSV) zur Diskussion über „Die Zukunft der Landwirtschaft“ hatte mehr als 150 Interessierte nach Grasberg gelockt. Die AfD-Kandidatin Susanne Rosilius hatte abgesagt. Zusammen mit den Kreislandwirten Stephan Warnken und Jörn Ehlers führte Cornelius Traupe vom LSV durch die knapp zweistündige Veranstaltung.
Von der Wichtigkeit der Landwirtschaft sind alle sechs Kandidaten überzeugt. „Landwirte versorgen uns mit Essen und verdienen unsere Wertschätzung“, sagte Lena Gumnior. Sie setzt auf den Dialog, um die Herausforderungen der Branche zu meistern. Andreas Mattfeldt will den Agrar-Diesel zurück und erklärte, es sei wichtig, dass sich Deutschlands selbst versorgen könne. Die Sozialdemokratin Özge Kadah setzt auf Planungssicherheit für die Bauern, diese sei essenziell. Der Alltag von Landwirten müsse vereinfacht werden. Während der Liberale Gero Hocker sich dafür ausspricht, den Landwirten mehr zu vertrauen und das „Reinregieren“ zu beenden, setzt BSW-Mann Maik Smidt darauf, Synergien zu schaffen. Herbert Behrens erklärte, die jetzige Situation sei für die Landwirte „an vielen Stellen unzureichend“. Er forderte, das Höfesterben müsse aufhören.
Die wenigsten Reibungspunkte gab es beim Thema Tierwohl. „Das Tierwohl ist in kaum einem anderen Land höher als bei uns“, sagte Gero Hocker. Man könne zwar noch immer mehr fordern, aber das koste Geld. Herbert Behrens sprach sich dafür aus, das regionale Wirtschaften stärker in den Fokus zu nehmen, denn die großen Handelsketten übten zu viel Druck aus. „Ich kenne keinen Landwirt, dem das Tierwohl nicht wichtig ist“, erklärte Christdemokrat Mattfeldt. Alle hätten ein Interesse daran, qualitativ hochwertig zu produzieren, und es müsse auch nicht immer Bio sein. „Das muss vom Verbraucher auch bezahlt werden, wo sollen die Leute das Geld hernehmen?“, fragte er und erhielt dafür Applaus. Lena Gumnior kritisierte die eigene Tierwohlkennzeichnung der großen Supermarktketten.
Beim Stichwort Herkunftsbezeichnung scheiden sich die Geister. Während die Grünen, CDU und SPD dem Vorhaben positiv gegenüberstehen und auch Maik Smidt sich für mehr Transparenz aussprach, die „nicht so kompliziert“ sein dürfe, warnte Hocker vor dem Anspruch, dass der Staat alles regeln müsse. Erzeugergemeinschaften könnten das besser, so werde auch Bürokratie vermieden, sagte er. Herbert Behrens widersprach: „Für den Standard bei einer Kennzeichnung ist der Staat verantwortlich, die Basis muss gesetzlich geregelt sein, sonst sind keine Kontrollen möglich.“ Auch bei den Freiflächen-Fotovoltaikanlagen zeigten sich Unterschiede. Er sei kein Freund davon, wenn es Flächenfraß bedeute, so Andreas Mattfeldt, „Dafür können wir nicht unseren guten Grund und Boden nutzen, PV gehört auf Fabrikhallen.“ Das sah Gero Hocker auch so, er verwies aber auf Flächen an Autobahnen. „Noch ein paar Schafe drunter und man kann es dual nutzen.“ Dafür sprach sich auch Lena Gumnior aus. „Freiflächen-PV muss ausgebaut werden“, erklärte hingegen Özge Kadah. Das sah Behrens anders. „PV auf landwirtschaftlichen Flächen geht mit uns nicht, aber es gibt unendlich viele landwirtschaftliche Gebäude, die sich dafür eignen.“ Auch für BSW-Kandidat Smidt, der bei vielen Fragen auf das Wahlprogramm seiner Partei verwies, gehören PV-Anlagen auf Dächer.
Vielen lag die Frage nach dem Umgang mit dem Wolf auf dem Herzen. Mehr als 500 Wölfe lebten derzeit in Niedersachsen. Warum es noch immer keine Lösung für den Umgang mit den Tieren gebe, wollte ein Zuhörer wissen. Gero Hocker sprach sich klar für eine Reglementierung aus. „Das bedeutet auch zu schießen.“ Bisher habe ihm niemand eine zufriedenstellende Antwort darauf geben können, warum Hase und Rotwild Bestandteil des Jagdrechts seien, der Wolf aber nicht. „Es ist höchste Eisenbahn, dass wir den naiven Umgang mit dem Wolf, der häufig von Städtern geprägt ist, überdenken“, forderte er. Die Linke begrüße es, wenn sich ehemals ausgerottete Tiere wieder ansiedelten, sagte Behrens. Es müsse aber geregelt werden, wenn Tiere Opfer würden, die Verfahren müssten vereinfacht werden. Landwirte müssten in die Lage versetzt werden, ihre durch den Wolf entstandenen Schäden „vernünftig regulieren zu lassen“ und „richtige Zäune zu bauen“. Mit diesen Aussagen zog der Kandidat den Frust einiger Zuhörer auf sich, die seine Vorschläge als unrealistisch abtaten. Lena Gumnior lobte das Dialog-Forum Wolf als gutes Format. Es sei nicht die Lösung des Problems, alle Wölfe abzuschießen, sagte sie. Während sich Kadah auf ein aktives Bestandsmanagement und Herdenschutz berief, redete sich Andreas Mattfeldt in Rage. „Ich ertrage diese Quatscherei nicht mehr, man mag ja nicht mehr durch den Wald joggen“, klagte er. Er forderte, Tiere strikter „zu entnehmen“, also abzuschießen, denn der Erhaltungszustand der Rudel sei bei Weitem überschritten. „Da ist doch was falsch gelaufen. Wir müssen mehr machen und weniger quatschen“, schloss er und erhielt dafür großen Zuspruch aus dem Publikum.
Der Osterholzer Kreislandwirt Stephan Warnken nutzte seine Schlussworte, um den Abend zusammenzufassen und einen Appell an die sechs Kandidaten zu richten. „Wir nehmen die Dinge an, wollen sie aber auch honoriert haben“, erklärte er. Die Politik sei gefragt, denn „Bauern brauchen die Chance, ihre Betriebe nach ihren Möglichkeiten zu bewirtschaften.“
VN 08.02.2025