Erster analoger Bundes-Kongress der Achimer Sterneneltern in der Stadthalle Verden
Gegen das Tabu
Verden – Zwei Jahre lang hatten Vereinsmitglieder sowie Sprecher, Teilnehmer und Sponsoren auf diesen Tag gewartet: Sehr groß war das Interesse an dem ersten analogen Sternenkinderkongress in Deutschland, zu dem der Verein Sterneneltern in Achim unter dem Motto „Gemeinsam mehr erreichen“ in die Stadthalle Verden eingeladen hatte. In seinem Grußwort lobte der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt die Arbeit des Vereins: Es sei wichtig, das Tabu zu brechen. Vereine wie die Sterneneltern Achim könnten deshalb mehr als stolz auf alles sein, was sie bislang erreicht hätten.
Ein prall gefülltes Programm erwartete die Besucher, berichtet der Verein. Die Gäste hatten demnach die Qual der Wahl, denn einige der elf Vorträge und drei Workshops liefen zeitgleich.
Unter anderem referierte Professorin Daniela Aust, stellvertretende Leiterin des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und Mitglied des Vereins Sternenkinder Dresden, zum Thema Netzwerkaufbau.
Dr. Armin Neumann und Petra Kallensee aus der Pränatalpraxis in Bremen beleuchteten auf dem Event alle Seiten des Tabus rund um Spätabbrüche und Fetozid – ohne dabei zu bewerten, und zeigten ebenso die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür auf.
Gaby Letzinger, Mitglied der Fotografenvereinigung Dein-Sternenkind.eu, erläuterte auf dem Event in der Stadthalle Verden in ihrem Vortrag die Bedeutung des ersten und letzten Bildes.
Um die individuelle Trauerbegleitung von Geschwisterkindern auf der Intensivstation ging es im Vortrag von Anna-Lina Angileau.
Im weiteren Verlauf kamen unter anderem noch die Bestatterinnen Monika Fischer, Sarah Friehe und Marisa Paramonow sowie Claudia König, die eigene Kurse für Frauen in dem Themenfeld anbietet, zu Wort. Sie sprachen über teils verwirrende Gesetze der Bundesländer und über die Situation von alleingeborenen Zwillingskindern.
Einen interessanten Einblick in die Trauerwelt bot Richard Hattink von der Palliativakademie Bamberg. Er hatte einzigartiges Bestattungsspielzeug dabei und erläuterte, wie einfach man Kindern spielerisch den Tod und die Trauer näherbringen kann.
Die Besucher konnten somit ein breites Programm erleben und viele wichtige Informationen zu dem sensiblen Thema für die Heimreise mitnehmen.
Die Region Achim wurde auf dem Kongress durch die Trauerbegleiterin Marion Zwilling vertreten, deren Thema die Trauer im Familiensystem darstellte. „Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen kamen aus allen Teilen Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und den Beneluxstaaten sowie aus allen Professuren“, teilt Sterneneltern-Vorsitzende Stefanie Gebers mit.
Neben Vereinen waren auch Trauerbegleiter, Bestatter sowie psychologisches und medizinisches Fachpersonal vor Ort. Außerdem Kontaktstellenmitarbeiter sowie Vertreter aus dem Hospiz und aus Selbsthilfegruppen. Auch wenn das Interesse groß war, entschied sich der Verein Sterneneltern Achim dazu, die Stadthalle Verden nicht voll auszulasten. Von 350 möglichen Plätzen, wurden nur 180 vergeben. „Die Menschen sind keine Großveranstaltungen mehr gewohnt und sollten sich bei uns wohlfühlen“, sagte Friederike Nolte, Akutbegleiterin des Vereins.
Die eineinhalbstündige Mittagspause ermöglichte es den Teilnehmern, Netzwerkarbeit zu betreiben und bereits ein erstes Resümee zu ziehen. Sandra Kern, Vorsitzende des saarländischen Vereins Sterneneltern, lobte: „Was ein kleiner Verein wie die Sterneneltern Achim hier geschaffen har, ist unbezahlbar. Ein großes Lob an alle Beteiligten.“ „Selten habe ich einen so gut organisierten Kongress erlebt“, bestätigte eine Hebamme aus Neumünster.
Die gesamte Organisation und auch die Betreuung vor Ort stemmten ehrenamtliche Arbeitskräfte. „Die entstandenen Kosten konnten zum Teil durch Sponsoren abgedeckt werden“, erklärte Stefanie Gebers. Durch die Verringerung der Teilnehmerzahl sei jedoch eine finanzielle Unterdeckung entstanden. Der Verein hoffe, diese durch Spenden schnell wieder auszugleichen zu können.
Eine weitere Veranstaltung in dieser Größenordnung zu organisieren, sei derzeit nicht geplant: „Mit vielen anderen Vereinen aus Deutschland arbeiten wir gerade an der Gründung eines Bundesverbandes“, erläuterte Verena Dillenburg, zweite Vorsitzende der Sterneneltern Achim, die nächsten Pläne. „Eine Fortsetzung, wenn auch nicht durch Achim umgesetzt, ist also nicht grundsätzlich ausgeschlossen.“
Verdener Aller-Zeitung vom 29.04.2022