Sicherheitspolitik ist viel diskutiertes Thema beim Bezirksparteitag der CDU in Bierden

22. Juni 2022
Pressespiegel

„Vertrauen ist die wichtigste Währung“

Von Henning Leeske

Eine lebhafte Diskussion über die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr entwickelt sich zwischen

Enak Ferlemann (v.r.), Andreas Mattfeldt und David McAllister. Foto: Leeske

 

Bierden – Die Auswirkungen des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine sind längst in dieser Region angekommen. Anlass genug für die Christdemokraten, sich bei ihrem CDU-Bezirksparteitag in Bierden ausführlich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu widmen.

So betonte der CDU-Bezirksvorsitzende Enak Ferlemann (MdB) gleich zu Beginn die große Bedeutung der Bundeswehrstandorte im Elbe-Weser-Dreieck. Schließlich sollen daher von den 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr, wozu auch die CDU-Opposition im Bundestag ihre Zustimmung gab, finanzielle Mittel bei der Truppe in der Region ankommen.

Bundeswehrstandorte von Rotenburg bis Nordholz seien besonders bei den internationalen Einsätzen bis zur Verstärkung der Ostflanke der NATO gefordert. Ferlemann betonte, er hoffe deshalb auf eine klare Stärkung der Bundeswehrstandorte.

Mit seinem Impulsvortrag lieferte der Brigadegeneral a. D. Rainer Meyer zum Felde die fachliche Grundlage für eine hochkarätig besetze Diskussionsrunde. „Der Epochenbruch hat größte Auswirkungen für Deutschland, weil der Status quo nun beendet ist“, sagte er einleitend. Die Helsinki-Architektur Europas sei eben bis auf die Grundmauern abgerissen, weil die OSZE-Schlussakte durch den Angriff Russlands hinfällig sei. „Vertrauen ist die wichtigste Währung der Diplomatie“, so der General.

Dieses Vertrauen sei nun vollkommen und nachhaltig durch Putin verspielt. Weiter sei die viel zitierte Bedrohung Russlands durch die NATO „fast schon lustig, wenn dieser Vorwurf aus Moskau nicht so erbärmlich wäre. Russland hatte der freien Bündniswahl von den Osteuropäern, wie zum Beispiel Polen, zugestimmt“, sagte Meyer zum Felde, der unter anderem die Interessen der Truppe beim NATO-Kommando vertrat.

Anschließend ging der Militärexperte auf die aktuelle Situation in der Ukraine ein und stellte knapp fest: „Jetzt steht die militärische Sache auf der Kippe.“ Die Ursachen der derzeitigen Situation verortete er allerdings schon deutlich früher. „Am 1. März 2014 hat dieser Krieg begonnen, nicht am 24. Februar 2022. Jetzt sind wir acht Jahre später aus dem Bett gefallen“, wurde er deutlich.

Damit kritisierte er, dass die damalige Bundesregierung unter der „GroKo“ die Bevölkerung nicht genügend aufgeklärt hatte, was die Annexion der Krim für den Frieden in Europa bedeutet.

Er selber habe im Anschluss das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel für Rüstungsausgaben mit den Amerikanern entwickelt. „Ich weiß das. Ich war der Unterhändler“, gewährte er einen Einblick. Er sei auch beteiligt gewesen, als bereits 2016 ein ganzes Bataillon an der litauischen Ostflanke der NATO von der Bundeswehr gestellt wurde. Zum Teil stammen diese Soldaten von den Standorten im Landkreis Rotenburg.

Im Wahlkampf 2017 sei aber eben gerade dieser Konsens über die Summe von Investitionen in die Truppe gerade von der Sozialdemokratie, aber auch von Teilen der Union aufgekündigt worden. Faktisch habe sich die Bundeswehr deswegen „zum Technischen Hilfswerk mit Selbstschutz entwickelt. Die Union steht unter erheblichen Wiedergutmachungsdruck. Sie hat das aber erkannt und will liefern“, blickte der General voraus und forderte, das Zwei-Prozent-Ziel länger als bis 2027 zu erhalten. Dies griff der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt auf und verwies auf die aktuellen Haushaltsberatungen, an denen er als Haushälter beteiligt war. „Wir stehen zu den zwei Prozent, auch nach fünf Jahren“, sagte er. Außerdem habe er sich mehr Rückhalt für die Truppe in der Vergangenheit auch bei den eigenen Parteifreunden gewünscht.

Dies hätte laut Mattfeldt sogar bis hin zur Aufkündigung der „GroKo“ führen sollen. Weiter sehe er die Notwendigkeit, die deutsche Sicherheitsindustrie zu stärken, damit das Sondervermögen auch in die heimische Rüstungsindustrie fließen könne und die Bundeswehr nicht nur auf Importe angewiesen sei. Großen Reformbedarf sah Mattfeldt im Beschaffungswesen der Truppe.

Als Mitglied des Europäischen Parlaments sprach David McAllister die mangelnde Verteidigungsfähigkeit Deutschlands an, man könne dort nur durch eine deutliche Verbesserung den Status als außenpolitischer Zwerg verändern. Eine besondere Rolle sollte die EU bei der Cybersicherheit zukommen. So forderte der Vorsitzende des Außenausschusses des Europäischen Parlaments die Schaffung einer EU-Cybersicherheits-Brigade, die für eine enge Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO exemplarisch stehen könnte.

VAZ 22.06.2022